Samstag, 1. Juni 2013

Wie verantwortungsbewusste Fleischesser die Welt retten - und warum Vegetarier es nicht tun

Wenn ich in einen Buchladen gehe, schaue ich mich auch manchmal, einer alten Gewohnheit folgend, in der Kochbuchabteilung um. Einfach weil ich ein Fan von gutem Essen bin und fast immer Lust aufs Kochen und Betrachten schöner Essensbilder habe. Auch, weil ich mich gerne inspirieren lasse und außerdem ein regelrechter Sammler von exotischen Kochbüchern bin. Aber seitdem ich auf die Ernährung umgestellt habe, die mir als Autoimmunerkrankte ein lebenswertes Leben ermöglicht, mache ich dummerweise immer wieder die Erfahrung, dass mir schon nach wenigen Sekunden des Betrachtens solch eines Bücherregals die Lust vergeht und ich mich reichlich genervt abwende. Genervt und auch ein wenig verstört. Der Grund ist die notorische Überschwemmung dieses Regals mit Veganer- und Vegetarierkochbüchern, und die völlige Abwesenheit eines nachhaltigen Fleischesser-Gegentrends. Um dies zu erklären, muss ich ein wenig weiter ausholen.

Normalerweise könnte es mir ja egal sein, was andere Leute essen bzw. worauf sie verzichten. Es ist ein freies Land, und ich betrachte mich als einen toleranten Menschen. Ich kann die Gründe von Vegetariern, nein falsch, eigentlich nur die von Veganern sogar sehr gut verstehen; immerhin war ich aus genau den gleichen Gründen als Teenagerin auch mal zwei Jahre lang Vegetarierin (ich verschloss damals noch die Augen vor den Grausamkeiten in der Milch- und Eierproduktion). Ich bin ein ausgesprochen empathischer Mensch und eine große Tierfreundin. Die Vorstellung, ein Tier, insbesondere ein Säugetier zu töten, „nur“ um es zu essen, ist auch für mich brutal. Aber da ich durch meine Paleo-Ernährung Tag für Tag am eigenen Leib erfahre, dass Fleisch, Organe und Knochen von artgerecht gehaltenen oder, noch besser, wild gelebt habenden Tieren für meine Gesundheit absolut unerlässlich sind, ziehe ich daraus nicht mehr den Schluss, dass es wider das menschliche Gewissen, ja unmenschlich sei, Tiere zu töten, um den eigenen Körper zu nähren. Ich glaube vielmehr, dass ich, wenn ich weiter Fleisch essen will/muss, konsequenterweise auch das Schlachten lernen muss – und das habe ich ja auch vor, da mein Mann und ich den Plan verfolgen, innerhalb der nächsten paar Jahre so weit wie möglich auf Selbstversorgung umzustellen.

Studien, die angeblich belegen, dass Fleischesser ein höheres Risiko als Vegetarier oder Veganer haben, alle möglichen chronischen und/oder degenerativen Erkrankungen zu bekommen, wurden nie unter der Voraussetzung der Fleischherkunft von gesunden Tieren durchgeführt, die ohne Antibiotika und mit ihrer natürlichen Nahrung, in ihrer natürlichen Lebensweise gelebt haben. Außerdem wurden diese Studien nie mit Menschen gemacht, die Fleisch, Fett, Organe, Bindegewebe und Knorpel von solchen gesunden Tieren essen und nicht nur das Filet. Und drittens wurden diese Studien nie mit Menschen gemacht, die so essen, wie unser Körper es aufgrund seiner genetischen Voraussetzungen verlangt: mit gesunden Fettsäuren und Proteinen tierischer Herkunft, aber ohne Elemente, die erst nach der neolithischen Revolution auf unseren Speiseplan kamen und danach durch Züchtung, Kreuzung, Hybridisierung wieder und wieder degeneriert und unserem Körper dadurch zunehmend entfremdet wurden, allen voran das Getreide. Eine Ernährung, die vorwiegend aus Proteinen und gesättigten Fetten tierischer Herkunft – insbesondere aus Massentierhaltung, also von gequälten Kreaturen, was sich übrigens sehr deutlich insbesondere im Fettsäureprofil des Fleisches niederschlägt – und Getreide besteht (und dies ist leider eine sehr beliebte Kombination: man denke nur an Bratwurst im Weißbrötchen, oder die Pizza Salami, oder die Pasta Bolognese, oder den Döner im Fladenbrot, oder den Taco con Carne!) ist die denkbar schlechteste Kombination, ganz zu schweigen davon, dass zusätzlich auch noch viel Zucker konsumiert wird. Kein Wunder, dass Vegetarier im Vergleich zu solch einem Ottonormal-Wurschtsemmelkonsumenten besser abschneiden - sie haben ja schon einmal den Vorteil, sich viel bewusster zu ernähren, was allein schon oft ein Gewinn ist.

Weit besser wäre es jedoch, die andere Variable aus der Gleichung zu streichen, und das ist das Getreide. Warum das so ist, haben viele schlaue Leute beschrieben, und ich komme ein anderes Mal noch darauf zurück. Aber das erklärt alles ja immer noch nicht, warum es mich verstört, dass es so viele Veganerkochbücher gibt. Abgesehen davon, dass ich es natürlich traurig finde, wenn Leute einen aus meiner Sicht falschen Lebensstil wählen und sich bzw. ihrer Gesundheit damit keinen Gefallen tun, bräuchte es mich ja nicht weiter zu stören.

Das Problem ist, dass Vegetariern (der Begriff soll jetzt mal Veganer mit einschließen) im aktuellen Gesellschaftsdiskurs aktiv vermittelt wird, dass sie die besseren Menschen sind. Oder sagen wir mal, die konsequenteren mit dem reineren Gewissen – und die anderen, die egoistischen, bequemen, heuchlerischen Fleischfresser, wie sie betitelt werden, müssen sich täglich neue Ausreden einfallen lassen, warum sie den Schritt zum Vegetarismus noch nicht gegangen sind, wobei sie natürlich ihren Fleischkonsum auch schon eingeschränkt haben, usw. usw. Fleischfresser sind nämlich nicht nur für das Leid unzähliger Tiere verantwortlich, sondern auch für die Umweltverschmutzung, das Elend in der dritten Welt und den Treibhauseffekt.

Falsch, falsch, falsch. Zum Heulen falsch. All diese Annahmen treffen nur zu, wenn man davon ausgeht, dass Tiere mit Kraftfutter ernährt werden müssen oder sollen. Die Flächen, die verbraucht werden, um Tierfutter anzubauen, die Düngemittel und Pestizide, die für diesen Anbau versprüht werden, die damit einhergehende Abholzung von Regenwald, all dies sind Konsequenzen des Anbaus von Getreide, Mais und Soja. Dieses Futter ist aber überhaupt nicht artgerecht und macht die Tiere sogar krank. Es passiert mit ihnen das, was auch Menschen zustößt, die sich überwiegend von Getreide, Mais und Soja ernähren: sie entwickeln ein metabolisches Syndrom und werden übergewichtig. Mit anderen Worten, die Tiere erreichen ihr Schlachtgewicht schneller, was natürlich ganz im Sinne der Mastbetreiber, aber weder im Sinne der tierischen noch der menschlichen Gesundheit ist.

Aus Nahrungskettensicht ist das Großartige beispielsweise an einem Rind ja, dass es ein für den Menschen gänzlich unverdauliches Gewächs in leckeres, gesundes Fleisch verwandelt. Dieses Gewächs ist Gras. Auch Hühner wollen ihrer Natur nach nicht bevorzugt Körner picken, sondern Gras, Schnecken, Würmer, Käfer, kleine Eidechsen und sogar Feldmäuse fressen. Und Schweine fressen in der Natur so ziemlich alles, nur kein Getreide.

Ich möchte in unseren Landschaften nicht noch mehr industrielle Landwirtschaft sehen. Ich möchte, dass Monsanto und co. sich zum Teufel scheren. Ich will, dass es wieder mehr kleine bäuerliche Betriebe und Selbstversorger gibt und dass Lebensmittel nicht das Milliardengeschäft großer internationaler Konzerne sind, die damit an der Börse spekulieren. Und ich möchte weniger kilometerlange Felder mit Monokulturen und mehr naturbelassene Wiesen und Weiden, auf denen Tiere friedlich grasen. Tiere, die ein gutes Leben haben und die uns nach einem stressfreien Dasein und einem angstfreien Tod mit lebenswichtigen Nährstoffen versorgen, die wir nur aus dieser Quelle und keiner Pflanze beziehen können.

Und ich möchte nicht, dass in der dritten Welt, wo die Leute die Flächen und das wenige Wasser für ihre eigene Viehzucht oder den Gemüseanbau benötigen, und geschweige denn da, wo eigentlich Regenwald zu wachsen hat, Kraftfutter für hier konsumiertes Fleisch angebaut wird. Ich möchte eine dezentrale Versorgung, eine regionale Konzentration von Produktion und Vertrieb. Gras wächst sprichwörtlich wie Unkraut. Man muss es nicht sonderlich pflegen oder düngen. Die Tiere düngen es mit ihren Exkrementen. Zu guter Letzt erfordert eine solche Entwicklung auch ein Zurückbesinnen auf ältere Rassen, die nicht extra so gezüchtet wurden, dass sie aufgrund ihrer irrwitzigen „Leistung“ Kraftfutter benötigen, um nicht abzumagern.

Und genau deswegen möchte ich nicht, dass Leute in einem Kochbuch vermittelt bekommen, dass sie ihren Hunger nach Deftigem und nach Eiweiß mit Tofu stillen sollen (abgesehen davon, dass Soja verheerende Auswirkungen u.a. auf den Hormonhaushalt hat). Oder dass sie Vollkornpasta essen sollen, um die Welt zu retten, oder dass sie ausgerechnet aus Weizenmehl Seitanburger (reines Gluten und damit Gift für die Darmgesundheit und das Immunsystem) machen sollen. Indirekt befördern sehr viele vom Vegetarismus-Hype angepriesene Produkte genau diese fortschreitende Industrialisierung der Landwirtschaft und den Anbau von pestizid- und düngemittelintensiven Monokulturen. Vegetarier essen ja trotz der Herkunft ihrer Bezeichnung von vegetable nicht besonders viel Gemüse, sondern sie definieren sich durch den Verzicht auf Fleisch, wobei die tierische Nährstofflücke in aller Regel aber eben nicht durch Gemüse, sondern durch typische Erzeugnisse aus intensiver Landwirtschaft gefüllt wird: Tofu, Getreideerzeugnisse, Maisprodukte. Und im Falle von Ovolaktovegetariern paradoxerweise durch besonders viel Käse und Eier, was den Tierschutzeffekt wohl wieder aufheben würde, wenn Tiere überhaupt durch Vegetarismus tatsächlich geschützt würden.

Es ist jedoch meine feste Überzeugung, dass man das Tierwohl sehr viel effektiver und nachhaltiger befördert, wenn man Fleisch aus artgerechter Haltung kauft ‑ und dies ist nicht einfach nur mit dem Griff ins Bioregal getan, denn auch Biofleisch kommt nicht unbedingt von Tieren, die ausschließlich oder auch nur überwiegend artgerecht ernährt wurden. Am besten ist es im Zweifel immer, persönlich mit dem Bauern Rücksprache zu halten, sich vor Ort einen Eindruck zu verschaffen – oder idealerweise seine Tiere selbst zu halten.

1 Kommentar:

  1. Wie treffend und eindringlich auf den Punkt gebracht! Danke für den tollen Artikel, den ich demnächst sicher mal verlinken werden. Lg Mia

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