Sonntag, 3. Juli 2011

Ich weiß nicht, ob’s jemandem schon aufgefallen ist, Teil II

Ich weiß nicht ob’s jemandem schon aufgefallen ist, aber unser Sozialversicherungssystem ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Falls es das mal war. Ich hab ja schon in meinem letzten Eintrag hier darüber gemeckert, dass die Selbständigen so unverhältnismäßig stärker zur Kasse gebeten werden als ihre angestellten Mitbrüder und –schwestern. Ich gebe gern zu, dass es etwas beschränkt ist, diese Sichtweise nur auf Freiberufler und andere Einmann/frau-Betriebe anzuwenden. Jeder Selbständige und jeder Geschäftsführer, ja meinetwegen sogar CEO darf jetzt einstimmen, jawohl, sie haben mein Einverständnis und meine Genehmigung. Angenommen man schafft es als Selbständiger trotz aller im ersten Teil ausgeführten Hindernisse, sich etwas aufzubauen, und wagt den nächsten Schritt, nämlich hin zum Arbeitgebertum, so zahlt man sich dumm und dämlich an den Lohnnebenkosten, ja liebe Gewerkschaften, das ist leider wirklich so, und nicht immer nur eitles Kapitalistengejammer.

Für jeden Euro Bruttolohn legt der Arbeitgeber nur für seinen Eigenanteil an Krankenkasse, Pflegeversicherung, Rente und Arbeitslosenversicherung ca. 30 Cent drauf, schon klar, dass man sich da dreimal überlegt, ob man wirklich noch einen mehr einstellt oder lieber nicht. Unternehmer sind nun mal profitorientiert, daran ist zunächst mal nichts falsch, in gewissen Grenzen ist es sogar gut so, und es überrascht nicht, dass sie ihre Produktion unter diesen Umständen ins Billiglohn-Ausland verlagern, zumal es nicht verboten ist. (Wer gegen eine regulierte Wirtschaft ist und von den Unternehmen immer "freiwillige Selbstkontrolle", also freiwilliges Unterordnen des Profits gegenüber der Moral verlangt, ist leider realitätsfremd.)

Jedenfalls, um endlich zum Punkt zu kommen, ich hab mich schon immer gefragt, warum die Rente, das Arbeitslosengeld, die jetzigen Leistungen der Krankenkasse und die der Pflegeversicherung nicht einfach aus Steuergeldern bezahlt werden. Klar muss jeder dann mehr Steuern zahlen. Auch Unternehmen. Dafür aber keine Sozialabgaben mehr, und über die Steuer ließe sich viel einfacher für eine gerechte Verteilung sorgen.
Es wäre auch deswegen viel gerechter, weil dann Schluss wäre mit diesem merkwürdigen Prinzip der Anwartschaft. Erst gestern wieder habe ich (mit halbem Ohr) gehört, wie der Sigmar Gabriel im Fernsehen irgendwas darüber sagte, dass ein Rentner, der in seinem Leben so und so viele Jahre geschuftet hat, ja wohl im Alter mehr an monatlichen Geldzahlungen erwarten dürfe als ein Hartz-IV-Empfänger (oder so). Ich kann über solche Aussagen nur den Kopf schütteln. Was wäre, wenn ich sage: Der Rentner hatte Glück, dass er so lange Arbeit hatte. Der hatte Glück, dass er über so viele Jahre immer über ein geregeltes Einkommen verfügt hat. Der hatte verdammt noch eins Glück, dass er so viele Jahre überhaupt in der Lage war, in die ganzen Kassen (Gesundheit, Pflege, Arbeitslosigkeit, Rente) einzuzahlen bzw. einzahlen zu lassen. Jetzt bitte nicht vorschnell empören: Ich finde es ungeheuer wichtig, dass die Senioren einen guten Lebensstandard haben und ihren Lebensabend sorgenfrei und meinetwegen sonnengebräunt verbringen können. Aber dieses ganze Getue von wegen „nach den vielen Jahren der Arbeit hat man sich ja wohl das Recht erworben...“ geht mir echt voll auf den Eierstock. Als ob der die ganzen Jahre nicht für sich, sondern selbstlos für die Gesellschaft geackert, ja sich aufgeopfert hat. Pfff. 

Und genauso ist es auch beim Arbeitslosengeld. Warum muss man erst so und so lange angestellt sein, um Arbeitslosengeld so und so lange kriegen zu können, wenn man die Arbeit wieder verliert? In diesem System steckt doch das Gedankengut, man könne Arbeit bekommen (und, zumindest lang genug, behalten), wenn man sich nur ausreichend anstrengt. Wer noch nie oder nicht lang genug gearbeitet hat, wird über kurz oder lang mit Hartz IV bestraft.

Jetzt bitte nicht gleich verlangen, dass ich eine Patentlösung dafür in der Schublade liegen oder auf irgendeinem Bierdeckel stehen habe. Ich weiß nur eins: Es muss über Steuergelder gehen, denn die Zeiten des paritätischen Systems sind vorüber. Adieu, Lohnnebenkosten. Tschüss, Krankenkassenbeitrag, so long, ungerechter und komplizierter Versorgungsausgleich bei Scheidung. Ihr hattet Eure Zeit, damals, in der Ära der rauchenden Schlote und der lebenslangen Firmenzugehörigkeit. Vielleicht.

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