NACHTRAG: Dies ist einer der letzten Blogeinträge zum Thema Ernährung und Gesundheit auf dieser Adresse. Alle vergangenen und zukünftigen Einträge zu diesem Thema gibt es künftig auf http://www.urgesundheit.de/. Dieser Blog widmet sich künftig Themen außerhalb von Ernährung.
Ich surfte
also herum und landete dabei auf der Seite einer amerikanischen Selbsthilfegruppe
für Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa. War ja nicht das erste Mal, dass ich
online auf so etwas gestoßen bin. Ich hatte mich vor Jahren bei der DCCV
(Deutsche Crohn und Colitis Vereinigung) im Forum angemeldet, aber dann schnell
keine Lust mehr gehabt. Warum es diesmal radikal anders war, kann ich
eigentlich nicht so hundertprozentig sagen. Erstens war ich inzwischen mehrmals
durch die Hölle gegangen (einige Male davon allein durch Arztfehler und ergo
Colitis-Schub während meiner Schwangerschaft – das ist aber einen eigenen
Blogeintrag wert) und daher konnten mich die Berichte anderer Patienten nicht
mehr schocken. Früher hatten mich solche Foren nämlich immer eher abgeschreckt,
weil ich immer noch hoffen und glauben wollte, dass es bei mir alles schon
nicht so schlimm werden würde. Ein anderer Faktor ist sicher, und jetzt kommt’s
‑ Vorsicht Klischeekeule ‑ die amerikanische Mentalität. Normalerweise mag
ich’s ja nicht, wenn Deutsche (also in dem Fall ich) über die deutsche
Mentalität meckern und sich damit ja selbst ausnehmen und darüber stellen, als
wären sie kein Teil davon. Aber bei diesem Thema mach ich das jetzt trotzdem
(Ha!).
Endlich daheim
Man kann
vielleicht schon was an der Wortwahl ablesen, denn „Selbsthilfegruppe“ klingt
irgendwie doch nicht so herzlich wie „support community“, oder? Und die
Herzlichkeit war wirklich überwältigend. Ich hatte mich kaum angemeldet und
mein Profil halbwegs ausgefüllt, da kamen schon die ersten Willkommensgrüße und
Freundschaftsangebote auf meine Pinnwand geflattert. Und damit fing es an,
damit wurde mein Leben besser und wandelte sich binnen kürzester Zeit radikal. Zum
ersten Mal war ich von Leuten umgeben, die GENAU DAS GLEICHE WIE ICH
durchgemacht hatten und GENAU DAS GLEICHE WIE ICH darüber dachten. Nach viel zu
langer Zeit wurde ich nun dieses Nagen in meiner Brust los, dieses Nagen, dass
ich sicher doch irgendwie irgendwas falsch gemacht habe, denn sonst wäre ich
doch nicht einfach so aus heiterem Himmel so doll krank geworden. Dieses Nagen,
dass bestimmt niemand sonst solche bescheuerten Gedanken hat. Dieses Nagen,
dass sicher nur ich diese Krankheit so persönlich nehme und überhaupt viel zu
sensibel bin und den Leuten ihre blöden Bemerkungen und Tipps viel zu übel
nehme, weil die das doch sicher alle nur gut meinen. Dieses Nagen, dass ich
sicher die einzige mit einer solchen Erkrankung bin, die sich einfach nicht
damit abfinden kann und will, dass ihre Wünsche und Hoffnungen weniger wert
sein sollen als die anderer – ja sogar vom Arzt belächelt werden. Kurz gesagt,
dieser ständige Vorwurf an mich selbst, dass ich nicht glücklicher bin, als ich
es nun mal bin.
Ich fühlte
mich also akzeptiert und als ganz normaler Mensch mit einer ganz normalen
Reaktion auf eine völlig inakzeptable Scheißkrankheit, die nur mit Scheißmedikamenten
behandelt wird, und leider auch oft von Scheißärzten. Jippie! Ich verbrachte
unzählige Stunden vor dem Computer, jeden Tag, oft bis spät in die Nacht. Jeder
Bereich meines Lebens erschien mit einem Mal leichter, als hätte sich ein
bleischwerer Schleier gehoben, der bis dato alles bedeckt hatte. Wenn mir
jemand mit Unverständnis begegnete – scheißegal, ich kann ja nachher meinen
Kumpels davon erzählen und mit denen über die ahnungslosen Normalos abfeiern, hihi!
Eine Odyssee durch Experimente
Ich fand es
natürlich auch ganz nett, immer mal wieder neue Hinweise auf neue
Behandlungsmethoden zu bekommen, aber das stand für mich die erste Zeit nicht
im Vordergrund. Ich genoss es einfach, mit meiner ganzen Traurigkeit, Wut und
Verzweiflung nicht mehr allein zu sein – und sie dadurch schwinden zu sehen.
Ich hatte eh das Gefühl, schon alles ausprobiert zu haben. In den
Prä-Community-Jahren hatte ich all dies hier teils ausführlich erprobt: Yoga,
Meditation, Autogenes Training, Psychotherapie, Akupunktur und Traditionelle
Chinesische Medizin, Schüssler-Salze, Homöopathie, Ayurveda (Weihrauchkapseln),
Fischöl, klassische Phytotherapie, Irisdiagnose, Narbenentstörung,
Magnetfeldtherapie, manuelle Therapie, Autosuggestion, Ausdauersport, Kolostrumkapseln,
geriebene Mangokerne (wieder Ayurveda), unendlich viele Tees und Nahrungsergänzungsmittel und
sicher noch einiges andere, das mir jetzt nicht einfällt.
Mir wurde
von den Ärzten immer gesagt, und dies ist auch in allen schulmedizinisch
geprägten Publikationen zu lesen, dass es pupegal ist, was ich esse, und dass
die Erkrankung mit Ernährung nicht zu beeinflussen sei. Der einzige CED-spezifische
Rat, der mir zum Thema Ernährung einmal von einem Arzt gegeben wurde, war, in
aktiven Phasen (Schub) möglichst wenige Ballaststoffe zu mir zu nehmen und mich
ansonsten ballaststoffreich zu ernähren. Hmpf. Und was mache ich, wenn es mir
so mäßig bis schlecht geht und ich einen Schub abwenden will? Tja, dazu und zu
vielen anderen Dingen konnte mir keiner was sagen.
Erste Begegnung
Eine
Community-Freundin gab mir zwischendurch immer wieder Hinweise auf diverse
alternative Behandlungsmöglichkeiten, und mehrfach schrieb sie mir Nachrichten
zum Thema Ernährung. Sie war selbst nicht erkrankt, hatte ihre an Colitis
erkrankte Tochter aber mit einer gluten- und milchproduktefreien Ernährung so
gut wie symptomfrei bekommen, wie sie nicht müde wurde zu berichten. Sie ging
mir und anderen damit gehörig auf die Nerven. Wenn es SO einfach wäre, würden
wir es doch alle tun, oder? Und außerdem wäre das doch dann bekannt,
wissenschaftlich belegt und von Ärzten verordnet, jawoll.
Die Freundin
ließ nicht locker und erwähnte unter anderem SCD und eine Diät mit dem Namen
Paleo (zu Deutsch: Steinzeiternährung). Ich versicherte ihr immer wieder, dass
ich bisher noch nie einen wesentlichen Zusammenhang zwischen dem, was ich aß,
und wie ich mich fühlte hatte feststellen können ‑ und dass ich eigentlich froh
war, dass wenigstens meine Essensvorlieben bisher von der Krankheit noch
weitestgehend unbelangt geblieben waren. Ich hatte außerdem die Nase voll vom
Herumexperimentieren. Und ein bisschen hatte ich auch was dagegen, dass mir
auch noch in diesem geschützten Rahmen jemand Vorhaltungen machte, nur nicht genug Willensstärke zu haben, „endlich wieder gesund zu werden“.
Ein Ende mit Schrecken - und ein Neuanfang
Wie es das
Schicksal wollte, ging es im Admin-Team der Webseite drunter und drüber, so
dass von heute auf morgen die Community Geschichte war. Ich war inzwischen zu
einer Moderatorin avanciert und fand meine Schäfchen nach und nach auf Facebook
wieder. Natürlich nicht alle – aber die Leute, die mir am meisten ans Herz
gewachsen waren. Gemeinsam machten wir uns auf die Suche nach einem neuen
virtuellen Zuhause. Nach einigen kollektiven Stippvisiten auf anderen
Community-Webseiten hatten wir zwar kein zufriedenstellendes Heim, aber einige
neue Freunde gefunden – und manche von uns hatten ihren Horizont erweitert.
Das
galt jedenfalls für mich, denn ich hatte jemanden kennengelernt, der gerade
dabei war, einen Dokumentarfilm über Leute zu drehen, die ihr Leben mit CED mit
alternativen Methoden zu verbessern suchten und der Schulmedizin in
unterschiedlichem Ausmaß, aber meist gänzlich den Rücken gekehrt hatten. Den
Filmemacher traf ich auch auf Facebook wieder, wo es eine Fanseite für sein
Filmprojekt mit dem Namen „Wanted: Crohn’s End“ gibt. Er selbst heißt Reid und
hat seit 15 Jahren Morbus Crohn und befolgt seit 7 Jahren die SCD-Ernährung.
Seit 5 Jahren nimmt er keine Medikamente mehr.
Ich fing an,
über die SCD zu lesen und meinen Kumpel Reid darüber auszufragen. Es dauerte
noch eine Weile, bis ich mich endlich aufraffte. Ich probierte noch die eine
oder andere unkonventionelle Methode, von der ich ebenfalls durch ihn erfuhr,
doch die anfänglichen Erfolge hielten nicht an (davon erzähle ich sicher ein
anderes Mal). Ich war zu dem Zeitpunkt zwar relativ stabil, aber ich nahm ja
auch seit mittlerweile 3 Jahren ohne Unterbrechung lokal wirksames Kortison
(Budenofalk) und hatte davon inzwischen fast so schlimme Nebenwirkungen wie
früher von systemisch wirksamem Kortison (Prednisolon). Ich musste die Dosis
immer wieder kurzfristig erhöhen, wenn es mir mal wieder mehr als zwei, drei Tage
schlecht ging, was immer noch ständig der Fall war. An ein Absetzen war also
nicht zu denken. So biss ich in den sauren Apfel, lud mir präzise Anleitungen
für den Einstieg herunter, und los ging’s.
Vorher
besprach ich das Ganze gründlich mit meinem Mann, der zum Glück voll hinter mir
stand und geradezu begeistert war. Da er häufiger kocht als ich, betrifft es
ihn ja auch sehr. Er stürzte sich gleich mit mir gemeinsam in die Recherche und
druckte sich Wissenswertes aus.
Erste Erfolge
So ging die
Reise los, und um mal ein wenig vorzugreifen, das ist jetzt 6 Monate her und
ich bin sozusagen ein neuer Mensch. Also, eigentlich fange ich ein wenig an, der Mensch zu sein,
der ich vor der Krankheit war. Ich nehme auch 6 Monate lang schon keine Medikamente mehr,
jawohl. Nicht zu fassen, oder? Anfang Januar hatte ich eine partielle
Darmspiegelung, und voilà – keine Spur einer Entzündung zu sehen. Das war in
den letzten 11 Jahren nie der Fall gewesen!
Mit das
Wichtigste ist, dass ich keine so schlimme Angst mehr habe. Ich habe die
Erfahrung gemacht, dass es tatsächlich Lebensmittel gibt, die ich gut vertrage,
und andere, die – zumindest im Moment noch – Symptome auslösen. Welche ich gut
vertrage, versuche ich nach und nach herauszubekommen, und es ist nicht ganz
einfach. Es ist tatsächlich ein einziges großes Experiment, und manchmal nervt
es. Aber ich bin mit meinen Reaktionen auf Lebensmittel inzwischen so weit
vertraut, dass ich eine gewisse Sicherheit gewonnen habe und nicht jedes Mal,
wenn ich mal eine Woche lang ein wenig Durchfall habe, gleich in Panik
verfalle, dass die Diät nicht funktioniert und ich sicher bald wieder Kortison
nehmen muss.
Und
natürlich habe ich auch wieder eine Community, die mir hilft. Auf Facebook gibt
es die wunderbare Gruppe „SCD Support Group“, mit der ich mich austausche und
die mir schon mehr als einmal aus einer Sinnkrise geholfen hat, vor allem zu
Beginn. Der Anfang ist schwer – aber es lohnt sich, durchzuhalten!
Die
SCD-Ernährung…
…ist im
Wesentlichen eine Steinzeiternährung. Das bedeutet, dass man komplett auf die
folgenden Lebensmittel verzichtet:
Getreide
(Mehl, Soßenbinder, Nudeln)
Kartoffeln
und Reis
Milch,
Joghurt, Sahne, Quark
Zucker
jeglicher Art (auch Dextrose)
Stärke
(auch Maltodextrin)
Soja
Kichererbsen
Mais
„natürliche“
und künstliche Aromen
Margarine
Die
folgenden Lebensmittel sind jedoch erlaubt:
Zum Süßen: Honig
Butter
Käse (außer Frischkäse)
Alles an Fleisch und Fisch
Fast jedes Gemüse bis auf (s. oben)
Wurst ohne Dextrose, Laktose etc.
Nüsse
Öle und Fette (abgesehen von Margarine)
Obst
Grundlage
einer Steinzeiternährung ist immer der Gedanke, dass unser Erbgut sich seit der
Steinzeit nicht gewandelt hat, unsere Lebens- und Essensgewohnheiten dagegen
sehr. Unser Körper kommt dementsprechend nicht mit dem klar, was er in unserer
heutigen Zeit antrifft, und reagiert mit Krankheit.
Die SCD-Ernährung
stellt gegenüber der Paleo-(Steinzeit-)Ernährungstheorie jedoch eine Sonderform
dar, indem sie auf die Heilung von Krankheiten abzielt und nicht anstrebt, idealerweise
von allen Menschen befolgt zu werden. Ursprünglich ging es bei der SCD vor
allem um die Ausheilung chronisch kranker Därme bei CED, inzwischen jedoch hat
sich gezeigt, dass mit ihr auch bei anderen so genannten Autoimmunerkrankungen
frappierende Erfolge erzielt werden.
Heilung?
Wenn ich
hier von „Heilung von Krankheiten“ rede, meine ich es im Sinne von „to heal“
und nicht „to cure“. Diesen feinen Unterschied gibt es im Deutschen nicht,
daher sprach ich auch eben von Ausheilen und nicht von Heilen. Man kann sich
trefflich darüber streiten, ob die SCD eine endgültige Heilung im Sinne von „cure“
verheißt oder nicht. Die meisten meiner Mitstreiter sehen sich nicht als
geheilt, aber eben auch nicht mehr als krank – sie sind eben „healed“. Und
solange sie die Diät befolgen, geht es ihnen prima. Andere sind nach einigen
Jahren auch in der Lage, wieder nicht erlaubte Lebensmittel in ihren Speiseplan
aufzunehmen, ohne dabei Rückschläge zu erleiden – sind sie nun geheilt, für
immer? Ich finde schon, aber man darf so etwas ja bei einer „chronischen und
unheilbaren Krankheit“ nicht sagen, ohne sofort als unseriös zu gelten.
Über die
Entstehung der SCD und die Theorie, die dahintersteht, schreibe ich bald mehr.
Hier gibt es eine deutschsprachige Facebookgruppe zum Thema SCD;
und hier gibt es für die, die nicht auf Facebook sind, eine Yahoo-Mailingliste;
und hier habe ich eine Definition geschrieben.
Hallo,
AntwortenLöschenich möchte die SCD auch gerne versuchen, aber bislang hatte ich Befürchtungen, dass es viel zu arbeitsaufwendig ist, wenn man alles selbermachen muss. Ich habe auch MC. Vielleicht magst du mal berichten, wie sich das so im Alltag managen lässt mit dem Kochen und Backen? Auf jeden Fall vielen Dank für deinen blog, per Zufall gefunden! In Deutschland gibts ja sonst nicht so viele Informationen über die SCD. Ich hoffe, dass es dir weiterhin gut geht damit?
Lieben Gruß
Hallo Franziska, es gibt jetzt eine deutschsprachige Facebookgruppe für die SCD. https://www.facebook.com/groups/237152369745065/
LöschenUnd eine Yahoo-Mailingliste gibt es auch, falls du nicht auf FB bist: http://de.groups.yahoo.com/group/SCD_Liste/
Ja, es geht mir weiterhin gut damit. Das mit dem Selbermachen ist schon viel Arbeit, aber irgendwie gewöhnt man sich schnell daran. Es ist auf jeden Fall günstig, wenn man eine Gefriertruhe bzw. ein etwas größeres Gefrierfach hat, damit man bestimmte Sachen immer vorkochen kann. Brot (aus Nussmehl) backen wir (mein Mann und ich) so alle 3-4 Tage. Das geht aber ganz schnell. Eigentlich bin ich inzwischen sogar ein kleines bisschen froh, dass ich durch die Diät gezwungen bin, so vieles selber zu machen, da einem dann erst wieder bewusst wird, wie minderwertig im Vergleich dazu doch Supermarktware schmeckt. Bestes Beispiel Marmeladen. Selbstgemacht und ohne künstliches Pektin bzw. Gelfix oder so schmeckt einfach unvergleichlich gut und macht sogar Spaß herzustellen. In Deutschlang kommt man tatsächlich nur ganz schwer an Informationen, das ist wahr. Dem wollte ich Abhbilfe schaffen mit diesem Blog. Aber guck mal hier: http://www.morbus-crohn-kochschule.de/ und hier: http://scd-kohlenhydratdiaet-versand.de/ Das sind jetzt zwar kommerzielle Links, aber es ist trotzdem vielleicht ganz nett, sich da mal umzuschauen. Den Link hier http://www.scdiet.de/index.htm kennst Du ja bestimmt schon. Ich schreibe auch bald wieder was, versprochen!
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