Mein Mann hat gesagt, so wie ich mich über die ganze
Fridays-for-Future-Debatte aufrege, soll ich lieber mal einen Blogartikel
schreiben, anstatt ihn Samstag morgens beim Frühstück 20 Minuten lang darüber
anzumotzen, wie bekloppt alle in Deutschland sind. Und da hat er Recht, also
schreibe ich jetzt mal kurz meine Meinung darüber.
Also erstmal, mit meinen sonstigen Wissenschaftsthemen hat das natürlich
nichts zu tun. Aus erdgeschichtlicher Sicht ist es übrigens auch völlig
schnurz, ob das Klima so bleibt wie es ist oder ob wir einfach alle fossilisierten
organischen Materialien von vor Millionen von Jahren aus dem Boden holen und
diese verbrennen. Dann ist das Klima halt wieder so, wie es war, bevor die dort
gelandet sind. Da gab’s halt kein Leben, aber das kann ja dann wieder kommen.
Beim ersten Mal hat’s ja auch geklappt.
Hier geht’s nicht um Naturschutz oder sowas. Hier geht’s einzig
und allein um Menschenschutz. Wenn wir wollen, dass der Lebensraum Erde weiterhin
in etwa die Verhältnisse bietet, unter denen unsere Spezies evolviert ist, dann
müssen wir handeln, und zwar gestern. Das sagen ernstzunehmende Wissenschaftler*innen
schon seit Ende meiner Schulzeit (full disclosure: das war in den 90ern). Damals
war noch ein bisschen Zeit, jetzt zeigen alle Messungen, dass wir uns unser
eigenes Grab noch viel schneller geschaufelt haben als gedacht.
Soviel zum eigentlichen Thema. Was mich wirklich, wirklich,
wirklich ankotzt, ist jedoch die Art und Weise, wie über den Schulstreik geredet
wird, selbst von Leuten, die ihn gut finden. Und genau in diesem Gutfinden liegt
ja schon das Hauptproblem. Liebe Leute, sprecht mir bitte nach: Ein Streik soll
nicht gut gefunden werden. Es ist absolut am Thema vorbei, zu sagen: „Och, der
Unterricht fällt doch eh andauernd aus“ oder gar „ich hab in der Schule eh
nichts fürs Leben gelernt“. Niemand, der in Hungerstreik tritt, möchte, dass
man ihm/ihr auf die Schulter klopft und sagt: „voll gut, wir essen eh alle viel
zu viel.“ Niemand, der für bessere Löhne und Gehälter den Hammer fallen lässt
und mit der Gewerkschaft auf der Straße steht, möchte, dass man sagt: „spitze,
dass ihr nicht arbeitet, wir brauchen eh gar nicht so viele Stahlbetonträger,
wie ihr da produziert.“
Wer streikt, der möchte, dass der Streik weh tut und
schlecht gefunden wird. Natürlich ist Bildung wichtig. Natürlich wäre es
vorzuziehen, wenn die Schüler*innen freitags in der Schule wären und dort was
lernen. Deswegen heißt es ja Streik: die Schüler*innen wissen genau, dass der
Schulbesuch ihre Aufgabe und ihre Arbeit ist. Welche sie verweigern. Weil wir als
Gesellschaft nicht aus dem Arsch kommen. Weil Konzerninteressen uns über
Jahrzehnte wieder und wieder wichtiger waren als die Zukunft unserer Kinder.
Weil wir uns immer noch verarschen lassen vom „und was ist mit den
Arbeitsplätzen“ Argument, obwohl es nie um Arbeitsplätze, sondern immer um
Profite geht.
Streiken ist nicht Schuleschwänzen, warum muss man das
betonen? Warum wird streikenden Metallarbeiter*innen nicht vorgeworfen, nur zu
faul zum Arbeiten zu sein? Warum wird den Schüler*innen vorgeworfen,
Mitläufer*innen zu sein? Kommen denn Lokführer*innen, Pilot*innen und
Angestellte des Öffentlichen Dienstes alle unabhängig voneinander auf die Idee,
an einem bestimmten Tag eine bestimmte Lohnerhöhung zu fordern und an einem
bestimmten Ort ein Schild hochzuhalten? Oder sprechen die sich eventuell auch
ab? Gibt es vielleicht auch da Initiator*innen, ohne die das alles nicht
passieren würde?
Leute, die so argumentieren, haben einfach eine schlechte
Meinung von der Jugend. Und das hat absolut nichts mit der realen Jugend zu
tun, sondern einzig und allein mit den Personen selbst. Ihr wisst ja: „Unsere
Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf
ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe“ (Keilschrifttext, Chaldäa, um 2000 v.Chr.).
Ich hoffe, die Jugend steht so lange da draußen auf der
Straße, bis sich wirklich etwas ändert. Vielleicht schafft es ja dann auch
Maybrit Illner mal, eine Sendung über das Thema „wie können wir die wissenschaftlich
unstrittigen und völlig legitimen Forderungen unserer Jugend unterstützen“ zu
machen, anstatt mit einer Sendung über die protestierende Jugend mehr oder
weniger wohlwollenden Onkels eine Bühne zum Schulterklopfen, Herunterspielen, Belächeln
und Bevormunden zu geben.
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