Samstag, 30. März 2019

Fridays for Future


Mein Mann hat gesagt, so wie ich mich über die ganze Fridays-for-Future-Debatte aufrege, soll ich lieber mal einen Blogartikel schreiben, anstatt ihn Samstag morgens beim Frühstück 20 Minuten lang darüber anzumotzen, wie bekloppt alle in Deutschland sind. Und da hat er Recht, also schreibe ich jetzt mal kurz meine Meinung darüber.

Also erstmal, mit meinen sonstigen Wissenschaftsthemen hat das natürlich nichts zu tun. Aus erdgeschichtlicher Sicht ist es übrigens auch völlig schnurz, ob das Klima so bleibt wie es ist oder ob wir einfach alle fossilisierten organischen Materialien von vor Millionen von Jahren aus dem Boden holen und diese verbrennen. Dann ist das Klima halt wieder so, wie es war, bevor die dort gelandet sind. Da gab’s halt kein Leben, aber das kann ja dann wieder kommen. Beim ersten Mal hat’s ja auch geklappt.

Hier geht’s nicht um Naturschutz oder sowas. Hier geht’s einzig und allein um Menschenschutz. Wenn wir wollen, dass der Lebensraum Erde weiterhin in etwa die Verhältnisse bietet, unter denen unsere Spezies evolviert ist, dann müssen wir handeln, und zwar gestern. Das sagen ernstzunehmende Wissenschaftler*innen schon seit Ende meiner Schulzeit (full disclosure: das war in den 90ern). Damals war noch ein bisschen Zeit, jetzt zeigen alle Messungen, dass wir uns unser eigenes Grab noch viel schneller geschaufelt haben als gedacht.

Soviel zum eigentlichen Thema. Was mich wirklich, wirklich, wirklich ankotzt, ist jedoch die Art und Weise, wie über den Schulstreik geredet wird, selbst von Leuten, die ihn gut finden. Und genau in diesem Gutfinden liegt ja schon das Hauptproblem. Liebe Leute, sprecht mir bitte nach: Ein Streik soll nicht gut gefunden werden. Es ist absolut am Thema vorbei, zu sagen: „Och, der Unterricht fällt doch eh andauernd aus“ oder gar „ich hab in der Schule eh nichts fürs Leben gelernt“. Niemand, der in Hungerstreik tritt, möchte, dass man ihm/ihr auf die Schulter klopft und sagt: „voll gut, wir essen eh alle viel zu viel.“ Niemand, der für bessere Löhne und Gehälter den Hammer fallen lässt und mit der Gewerkschaft auf der Straße steht, möchte, dass man sagt: „spitze, dass ihr nicht arbeitet, wir brauchen eh gar nicht so viele Stahlbetonträger, wie ihr da produziert.“

Wer streikt, der möchte, dass der Streik weh tut und schlecht gefunden wird. Natürlich ist Bildung wichtig. Natürlich wäre es vorzuziehen, wenn die Schüler*innen freitags in der Schule wären und dort was lernen. Deswegen heißt es ja Streik: die Schüler*innen wissen genau, dass der Schulbesuch ihre Aufgabe und ihre Arbeit ist. Welche sie verweigern. Weil wir als Gesellschaft nicht aus dem Arsch kommen. Weil Konzerninteressen uns über Jahrzehnte wieder und wieder wichtiger waren als die Zukunft unserer Kinder. Weil wir uns immer noch verarschen lassen vom „und was ist mit den Arbeitsplätzen“ Argument, obwohl es nie um Arbeitsplätze, sondern immer um Profite geht.

Streiken ist nicht Schuleschwänzen, warum muss man das betonen? Warum wird streikenden Metallarbeiter*innen nicht vorgeworfen, nur zu faul zum Arbeiten zu sein? Warum wird den Schüler*innen vorgeworfen, Mitläufer*innen zu sein? Kommen denn Lokführer*innen, Pilot*innen und Angestellte des Öffentlichen Dienstes alle unabhängig voneinander auf die Idee, an einem bestimmten Tag eine bestimmte Lohnerhöhung zu fordern und an einem bestimmten Ort ein Schild hochzuhalten? Oder sprechen die sich eventuell auch ab? Gibt es vielleicht auch da Initiator*innen, ohne die das alles nicht passieren würde?

Leute, die so argumentieren, haben einfach eine schlechte Meinung von der Jugend. Und das hat absolut nichts mit der realen Jugend zu tun, sondern einzig und allein mit den Personen selbst. Ihr wisst ja: „Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe“ (Keilschrifttext, Chaldäa, um 2000 v.Chr.)

Ich hoffe, die Jugend steht so lange da draußen auf der Straße, bis sich wirklich etwas ändert. Vielleicht schafft es ja dann auch Maybrit Illner mal, eine Sendung über das Thema „wie können wir die wissenschaftlich unstrittigen und völlig legitimen Forderungen unserer Jugend unterstützen“ zu machen, anstatt mit einer Sendung über die protestierende Jugend mehr oder weniger wohlwollenden Onkels eine Bühne zum Schulterklopfen, Herunterspielen, Belächeln und Bevormunden zu geben.

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