NACHTRAG: Dies ist einer der letzten Blogeinträge zum Thema Ernährung und Gesundheit auf dieser Adresse. Alle vergangenen und zukünftigen Einträge zu diesem Thema gibt es künftig auf
http://www.urgesundheit.de/. Dieser Blog widmet sich künftig Themen außerhalb von Ernährung.
Meine Bloggerfreundin Mia hat mich kürzlich mit ihrer Bitte geehrt, für ihr tolles Low-Carb-und-auch-ziemlich-Paleo-Blog
La Vida Lo Ca einen Gastbeitrag über ungesättigte Fettsäuren zu schreiben. Dem bin ich natürlich nur zu gerne nachgekommen, habe dabei aber gemerkt, dass ich schnell vom Hundertsten ins Tausendste komme. Daher habe ich irgendwann den Rotstift angesetzt und wieder Passagen rausgenommen, die über das Thema "ungesättigte Fettsäuren" hinausgingen. Aber trennen wollte ich mich doch nicht von ihnen, und so kommt hier eine kleine Abhandlung über gesättigte UND ungesättigte Fettsäuren.
Der Nährstoff Fett hat, um es vorauszuschicken, zu Unrecht
sein Fett abbekommen, und dies schon mehrere Jahrzehnte lang. Kein anderer
Makronährstoff wird so konsequent mit Verachtung gestraft, sei es von Seiten der Mediziner, Ernährungswissenschaftler, Sportler oder Abnehmwilligen. Eine
Ausnahme wird gelegentlich bei bestimmten pflanzlichen Ölen gemacht; man denke
an die vielbeachtete Empfehlung, sich „mediterran“ zu ernähren und dabei auch
nicht am Olivenöl zu sparen. Da war doch was mit essentiellen Fettsäuren und
„guten pflanzlichen Fetten“, die ungleich gesünder sind als das Wabbelschwabbel
am Schinkenrand, das schon nach Cholesterin und Herzinfarkt riecht und
schmeckt?
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Tierische Fette - ihhhhhhh! Oder doch nicht? |
Magerwahn
Die Besessenheit von möglichst magerem Fleisch hat schon längst
so groteske Züge angenommen wie die Züchtung von Puten, die nicht mehr das
Gleichgewicht halten können, weil ihnen eine solch überdimensionierte Brust
angezüchtet wurde. Dies allein sollte einem schon zu denken geben, aber man hat
sich in der Ernährungsindustrie ja schon an so vieles gewöhnt.
Vielleicht liegt es daran, dass es so bestrickend einfach
klingt: Fett macht fett. Oder es liegt an der Lipid-Theorie von Ancel Keyes, der
mit dieser in den 1950er Jahren Furore machte und die Bewertung dieses
Nährstoffs für die Folgejahrzehnte nachhaltig beeinflusste, ungeachtet der
Tatsache, dass er sich schließlich sogar von seiner eigenen Theorie distanzierte. Die Lipid-Theorie beruhte auf einer Studie, die den Konsum
gesättigter (also großteils tierischer) Fette in vielen Ländern untersuchte und
diese in Relation zu der Häufigkeit von Herzerkrankungen setzte. Die Theorie
sagte Folgendes aus: Der Konsum von gesättigten Fettsäuren lässt das
Cholesterin ansteigen, und hohes Cholesterin führt tendenziell zu
Herzerkrankungen. Beide Schlussfolgerungen sind aus heutiger Sicht unhaltbar,
ganz davon abgesehen, dass Keyes aus dubiosen Gründen nur Daten aus denjenigen
Ländern auswertete, die in die Theorie passten, und damit ungefähr die Hälfte der
erhobenen Daten letztlich ignorierte.
Jedes Gramm Fett enthält 9 Kilokalorien, während Protein und
Kohlenhydrate nur mit jeweils 4 Kilokalorien pro Gramm aufwarten können. Damit
hat Fett eine mehr als doppelt so große Energiedichte wie Protein und Eiweiß.
Das klingt in unserer Diätgesellschaft vielleicht nicht unbedingt nach einem
großen Pluspunkt für das Fett, aber wenn wir mal von unseren Steinzeitvorfahren
ausgehen, die noch nicht im Kalorienüberfluss lebten und wo effiziente
Nahrungsbeschaffung noch eine Frage des Überlebens war, wird vielleicht
deutlich, dass Fett naturgemäß einen zentralen Stellenwert in unserer ursprünglichen Ernährung einnimmt.
Fett - der lebenswichtige Nährstoff
Gerade während der Entwicklung des Fötus und des Kindes sind
es die gesättigten Fette, deren Bedeutung man nicht genug betonen kann. Wie der
Zahnarzt Weston A. Price Anfang des 20.Jahrhunderts während seiner
vergleichenden Studien von Eingeborenenstämmen und modernen Menschen
beobachtete, führt eine fettarme Ernährung der schwangeren Frau vermehrt zu
verkleinerten Kiefern und damit lebenslangen Zahnfehlstellungen des Kindes.
Auch für die Entwicklung des Nervensystems, u.a. des Gehirns, ist eine gute
Versorgung mit gesättigten Fettsäuren in der fötalen und frühkindlichen
Entwicklung unerlässlich. Gesättigte Fettsäuren sorgen für Stabilität in allen
Körperzellen (Zellmembranen bestehen zu 50% aus gesättigten Fettsäuren) und
spielen eine wichtige Rolle beim Knochenaufbau; des Weiteren geben sie dem
Körper unerlässliche Hilfestellung bei der Verwertung essentieller Fettsäuren.
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Butter ist lecker und, wenn man nicht extrem empfindlich auf
Milchprodukte reagiert, gesund. Margarine? Fragt nicht! |
Werden keine oder sehr wenige Kohlenhydrate gegessen, aber
reichlich gesättigte Fettsäuren konsumiert, so wird das Gehirn niemals an einem
Glucosemangel leiden, da die Leber in der Lage ist, aus Fett und Protein seine
eigene Glucose herzustellen.
Gesättigte Fettsäuren führen also nicht nur nicht zu Arterienverkalkung und
Herzinfarkt, sondern sind unerlässlich für das Gedeihen des menschlichen
Körpers. Chemisch gesehen sind gesättigte Fettsäuren aufgebaut wie ein
perfekter, symmetrischer Reißverschluss, denn jede Kohlenstoffverbindung in der
Kette ist mit einem Wasserstoffatom „versorgt“.
Wie sieht es aber nun mit den pflanzlichen Ölen aus, von
denen man so viel Gutes oder zumindest weniger Schlechtes hört?
Die beliebtesten und billigsten pflanzlichen Öle wie z.B.
Sonnenblumenöl und Distelöl enthalten viele mehrfach ungesättigte Fettsäuren.
Per definitionem sind ungesättigte Fettsäuren (PUFA = polyunsaturated fatty
acids) immer weniger stabil als gesättigte Fettsäuren, da ihren
Kohlenstoffverbindungen an einer (einfach ungesättigt) oder mehreren (mehrfach
ungesättigt) Stellen ein Wasserstoffatom fehlt, weswegen sie an diesen Stellen
doppelte Kohlenstoffverbindungen aufweisen. Instabil bedeutet bei Fettsäuren,
dass sie auf Kontakt mit Sauerstoff sowie Wärme und Licht mit Oxidation
reagieren, was nichts anderes aussagt, als dass sie schnell ranzig werden.
Viele von diesen Ölen sind schon beim Kauf ranzig, z.B. weil bei der Extraktion
Hitze entsteht oder sie zu lange gelagert wurden. Ranzigkeit ist nicht allein
ein Problem des Geschmacks, sie stellt ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko dar.
Oxidierte Fettsäuren begünstigen entzündliche Prozesse und sogar die Entstehung
von Krebs im menschlichen Körper. Selbst wenn ein solches PUFA-Öl beim Konsum
noch nicht ranzig ist, so ist davon auszugehen, dass spätestens im Körper einige
dieser instabilen Fettsäuren oxidieren und über das LDL-Cholesterin in alle
Körperregionen gelangen, wo sie für Entzündungen sorgen. PUFAs können aufgrund
ihrer Instabilität (ihrer „offenen“ Kohlenstoffverbindungen) darüber hinaus im
Körper willkürliche und damit schädliche Verbindungen mit Zuckern und Proteinen
eingehen, die toxische Nebenprodukte bilden.
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Die meisten Pflanzenöle sollte man gar nicht erhitzen,
jedenfalls wenn in ihnen die PUFAs überwiegen. |
Wird ein solches Öl über den (recht niedrigen) Rauchpunkt
hinaus erhitzt, so kommt noch ein weiterer Prozess hinzu, der chemisch genau
das Gegenteil von Oxidation ist, aber nicht minder schädlich: Hydrierung, auch
bekannt als Bildung von Transfettsäuren. Der menschliche Körper weiß nicht, was
er mit diesen degenerierten Fettbestandteilen anfangen soll und baut sie
deswegen nach dem Zufallsprinzip in Gewebe ein, wo sie unberechenbare
Kettenreaktionen auslösen, die ebenfalls zu schwerwiegenden, systemischen
Entzündungen oder gar Krebs führen können.
Die Guten, die Schlechten und die Schlechtgewordenen
Oliven-, Macadamianuss- und Avocadoöl unterscheiden sich von
den meisten anderen Pflanzenölen dadurch, dass sie mehr einfach ungesättigte
Fettsäure (auch Omega-9- oder Ölsäure genannt) enthalten und dementsprechend auch höher
erhitzt werden dürfen. Insgesamt ist bei diesen drei Ölen das Risiko, oxidierte
Fettsäuren oder gar Transfettsäuren zu sich zu nehmen, deutlich reduziert.
Zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren gehören auch die
Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Hier tritt ein weiteres Problem der
pflanzlichen Öle zutage: Nämlich, dass beinahe alle ein ausgesprochen
ungünstiges Omega-3-Omega-6-Verhältnis haben. Omega 3 und Omega 6 sind so
genannte essentielle Fettsäuren, da der Körper sie nicht selbst bilden kann. Letzteres
allein ist allerdings noch kein Hinweis darauf, dass wir sie überhaupt brauchen;
und selbst wenn dies bejaht wird, weiß keiner so recht, wie viel davon
gebraucht wird (von den Lebensgewohnheiten indigener Völker ausgehend ist es
vermutlich nicht sehr viel). Omega-6-Fettsäure in Form von Linolsäure ist
unbestritten entzündungsfördernd, wenn ihr Gegenspieler Omega 3 fehlt. Ein
Verhältnis von 1:1 beim Konsum von Omega 3 und Omega 6 ist idealerweise
anzustreben; und bei unseren Vorfahren entsprach dieses Verhältnis wohl auch
ungefähr der Realität. Unsere heutige Realität sieht so aus, dass beispielsweise ein Durchschnittsamerikaner an einem Durchschnittstag ungefähr 20mal so viel Omega
6 wie Omega 3 zu sich nimmt.
Omega 3 gibt es zunächst in der Form von Alpha-Linolensäure.
Diese befindet sich in pflanzlichen Ölen bzw. deren Rohstoffen wie Nüssen und
Samen. Alpha-Linolensäure (ALA) ist für den Menschen nur begrenzt nützlich, da
der menschliche Körper sie erst in EPA (Eicosapentaensäure) und DHA
(Docosahexaensäure) umwandeln muss. In diesen beiden letzteren Formen ist Omega
3 bereits im Fett von Fischen, von Krill, in Hühnereidottern und z.B. im Fett
des Fleisches und der Milchprodukte vom Weiderind vorhanden. Die Umwandlung von
ALA in zunächst EPA und dann DHA im menschlichen Körper gelingt umso
schlechter, je mehr Linolsäure (die wichtigste Art von Omega 6) vorhanden ist,
da diese mit ALA (dem „pflanzlichen“ Omega 3) um das Enzym Delta-6-Desaturase
konkurriert, das für die Umwandlung von ALA in EPA verantwortlich ist.
Gutes Omega-6?
Um es noch ein wenig zu verkomplizieren, enthalten z.B.
Borretschöl, Nachtkerzenöl und Hanföl eine Omega-6-Fettsäure, die anscheinend,
anders als man es von Omega-6 erwarten würde, entzündungshemmende Eigenschaften
hat. Diese Omega-6-Fettsäure heißt Gamma-Linolensäure. Zwar wird auch die
entzündungsfördernde Omega-6-Fettsäure namens Linolsäure (s.o.) im Körper in Gamma-Linolensäure
umgewandelt; wenn letztere aber mit der Nahrung aufgenommen wird, ist sie
anscheinend unschädlich. Dies liegt daran, dass sie eben schon umgewandelt ist
und daher das Enzym Delta-6-Desaturase nicht benötigt, es also der ALA-Omega-3-Fettsäure
bei ihrer Umwandlung in entzündungshemmendes EPA nicht streitig macht. Die Öle mit
einem hohen Anteil von Gamma-Linolensäure haben aber für die Ernährung keine
große Bedeutung und kommen eher in der alternativen Medizin zum Einsatz.
Omega-3: ein Sensibelchen
Die wenigen pflanzlichen Öle, die einen höheren Omega-3- als
Omega-6-Anteil aufweisen, sind Untersuchungen zufolge sogar noch instabiler als
die übrigen, oxidieren also noch schneller und vertragen noch weniger oder gar
keine Hitze. Daher sind beispielsweise Leinöl und Rapsöl gänzlich ungeeignet
zum Kochen oder Braten, geschweige denn Frittieren. Man sollte sie auch nur in
kleinen Flaschen kaufen, die man schnell aufbraucht, und diese im Kühlschrank
aufbewahren. Ähnliches gilt wahrscheinlich auch für ganze oder gemahlene Lein-
oder Chiasamen, deren Nutzen in Gebäck aufgrund ihres Fettsäureprofils
entsprechend fraglich ist.
Allerdings möchte ich noch darauf hinweisen, dass auch das
Omega 3 tierischer Herkunft (EPA und DHA) empfindlich ist und oxidieren kann.
Daher ist es beispielsweise ratsam, Fisch nicht zu stark zu erhitzen; eine
Zubereitung im Backofen bei maximal 150 Grad Celsius ist aus meiner Sicht empfehlenswert.
Halten wir fest: Tierische Fette sind viel besser als ihr
Ruf, egal ob es um gesättigte oder ungesättigte Fettsäuren geht. Sie sind
tatsächlich sogar sehr wertvoll. Von den pflanzlichen Ölen sind eigentlich nur
die empfehlenswert, die mehr Ölsäure als ungesättigte Fettsäuren enthalten.
CLA - fast schon Medizin
Und als ob tierische Fette nicht schon großartig genug
wären, enthalten diejenigen, die von artgerecht gehaltenen und vor allem
gefütterten Wiederkäuern stammen, noch eine ganz besondere Substanz namens
konjugierte Linolsäure (CLA). Diese Fettsäure besitzt so vielversprechende immunmodulierende
Eigenschaften, dass schon über eine Verwendung als Medikament zur Behandlung
von Autoimmunerkrankungen nachgedacht wurde.
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Gute Fette, jedenfalls wenn man sie ordentlich behandelt. |
Fazit
Kochen und braten sollte man also z.B. in Schweine-, Gänse-
oder Entenschmalz, Rindertalg oder Butterschmalz (Ghee). Ein weiteres sehr gut
für diese Zwecke geeignetes Fett ist das Kokosfett. Unter den pflanzlichen Ölen
bilden tropische Öle wie Kokosfett und rotes Palmöl gewissermaßen eine
Ausnahme, weil in ihnen die gesättigten Fettsäuren bei weitem überwiegen. Einen
Hinweis darauf liefert ihre Konsistenz: ebenso wie beispielsweise Schmalz sind
sie bei gewöhnlicher Zimmertemperatur fest bzw. cremig. Daher gibt es z.B. Kokosfett
(auch Kokosöl genannt) nicht in Flaschen, sondern in Gläsern. Palmöl ist aus
ökologischen Gründen bedenklich, da für seinen Anbau Raubbau an der Natur
betrieben wird. Kokosfett gibt es in desodorierter und duftender bzw. nativer
Form. Desodoriertes Kokosfett ist sehr günstig in den Kühlregalen der meisten
Supermärkte erhältlich, z.B. von der Marke Othüna, als in Alupapier verpackte
Würfel. Duftendes Kokosfett dagegen findet man eher in Onlineshops (z.B. Dr.
Goerg) oder in Bioläden (z.B. die Marke Rapunzel, bei der „Kokosfett“ das
desodorierte und „Kokosöl“ das duftende Produkt bezeichnet).
Natives Kokosfett bietet eine Reihe weiterer
gesundheitlicher Vorteile; unter anderem enthält es Stoffe, die als
entzündungshemmend gelten, und ist bei äußerer wie innerlicher Anwendung
antimikrobiell.
Quellen
Bei Durchsicht der folgenden Quellen entgeht dem
aufmerksamen Leser nicht, dass ich ein gewisses Faible für Mark Sisson habe,
was seine Erklärungen rund um Fett und Cholesterin angeht. Ich bin aber auch
ein großer Fan von Mary Enig, die mit der Weston A. Price Foundation
zusammenarbeitet und bereits vor Transfettsäuren warnte, als man diese noch für
ein Hirngespinst hielt – heute sind die Gefahren der Transfettsäuren gut
dokumentiert und werden nicht mehr bestritten.